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Sänger vs. Poeten-Slam

Nun hat es der Dezember doch ein bisschen geschafft, weihnachtliche Stimmung zu beschwören, und die Landschaft mit Puderzuckerschnee bestäubt. Jetzt kann man auch endlich guten Gewissens auf den Weihnachtsmarkt gehen und sich an Glühwein und Lebkuchen erfreuen. Und an Poesie, weil die immer geht. Und am besten alles zusammen.

Das hat sich auch der Poetry Slam Mainz gedacht und am 3. Advent zum Singer/Songwriter vs. Poetry Slam geladen. In dem „Lichtermeer“-Festzelt am Zollhafen wurden Bierbänke und Stehtische aufgestellt und man konnte bei freiem Eintritt dem Battle zwischen Musikern und Dichtern lauschen. Der Slam war sehr gut besucht, viele Gäste des Weihnachtsmarktes schauten herein und wärmten sich an den Worten. Sogar eine ganze Rasselbande an Kindern freute sich über lustige Reime und Tanzmusik.

Den Anfang des Abends machen die Musiker mit Florian Wintels, der singt, wie unglaublich reich er doch sei, vor allem an Erfahrung. Marvin Ruppert hält dagegen und stimmt das Publikum weihnachtlich mit einem Text über sich als Geschenk und Tanz. Tilman Claas macht thematisch ebenso weiter und packt zu „Heute fang ich an“ die E-Gitarre aus, gute Vorsätze müssen schließlich dröhnen. Fee singt über ihre frustrierenden Erlebnisse in der Musikindustrie und zum Abschluss gibt Till Reiners noch wichtige Flirttipps.
Mein persönliches Highlight allerdings ist der Auftritt von Dalibor Marković. Der Poet aus Frankfurt schafft es mit seiner Mischung aus Beatbox, Fingergestik und nadelspitz geschliffenen Texten dem Festzelt den Atem zu rauben. Insgesamt vier Gedichte trägt er an diesem Abend vor und ein jedes birgt ganz eigene Rafinessen: Mal slamt er in drei verschiedenen Sprachen, dann imitiert er einen Kassettenrekorder und remixt auch noch den Erlkönig. Aber überzeugt euch einfach selbst:

Punkte für die jeweiligen Auftritte werden in altbekannter Poetry Slam-Manier vergeben und leider schaffen es Florian Wintels aus der Sängergilde und Marvin Ruppert, ein Poet, nicht in die zweite Runde. Die Aufstellung der beiden Felder ist aber wieder mal fantastisch und beinahe jeder Künstler kratzt an der Höchstpunktzahl von 30 Zählern. Tilman Claas läutet den Recall ein und ist den Lyrics nach zu schließen, immer noch nicht zufrieden mit seinem Leben. Aber wenigstens bekommt er viele Punkte dafür. Danach übernimmt Dalibor Marković wieder das Mikrofon und setzt genau dort an, wo er in der ersten Runde aufgehört hat. Fee bleibt „Lieber liegen“ und singt vom einfach mal Nichts-Tun und Till Reiners verarbeitet sein Kindheitstrauma und erklärt, warum er eigentlich auf der Bühne steht, mit seinem Text „Fette Sau“.

Der Abend vergeht wie im Flug, es wird gelacht, gestaunt und geklatscht und am Ende haben sie eigentlich alle gewonnen. Numerisch haben zwar die Poeten die Nase vorn, aber wen juckt das schon. Der Slam war toll, der Glühwein heiß und die Stimmung besinnlich.

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V.l.n.r.: Marvin Ruppert, Florian Wintels, Fee, Tilman Claas, Till Reiners, Dalibor Marković und Moderator Ken Yamamoto.

Wer sich nun selbst einmal hinters Mikro stellen und lyrisch ausprobieren möchte, der ist herzlich zum Poetry Slam-Workshop am 15. und 16. Dezember in die Walpodenakademie eingeladen. Weitere Infos dazu gibt’s hier. Der nächste Poetry Slam findet am 20. Dezember um 20 Uhr im Frankfurter Hof statt.

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