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Blätterrascheln mit Silke Müller (Erlesenes & Büchergilde)

Ihr fünfjähriges Bestehen feiert die wundervolle Buchhandlung Erlesenes & Büchergilde und fragt mit der Aktion „5 Bücher zum 5. Geburtstag“ nach den Empfehlungen ihrer Kundschaft. Ich freue mich sehr, dass die Inhaberin Silke Müller zu diesem Thema beim BLÄTTERRASCHELN zu Gast war! Das Gespräch findet ihr hier zum Nachlesen:

Letterwald: Hallo Silke, schön, dass das geklappt hat und, dass Du dir so spontan die Zeit genommen hast! Ich hebe erst mal mein Glas und stoße an auf fünf Jahre Erlesenes & Büchergilde.

Silke Müller: (hebt Tasse) Ich mit Cappuccino, vielen Dank!

Bevor wir zu den Feierlichkeiten kommen, erst einmal zum aktuellen Stand: Seit dem 20. April dürft ihr ja wieder öffnen. Wie klappt es mit den ganzen Schutzvorkehrungen?

Mittlerweile klappt das ganz wunderbar. Unsere Kunden sind sehr geduldig und halten vor der Tür Abstand, wenn sie mal warten müssen. Vielleicht zwei Kunden haben in den drei Wochen ihre Maske vergessen, aber für solche Fälle haben wir Einmalmasken da. Ansonsten hat das wirklich prima funktioniert.

Sehr vorbildlich also (lacht). Gab es während der Schließung spezielle Kundenwünsche? Zum Beispiel Großbestellungen oder kauften die Leute besonders dicke Bücher?

Grundsätzlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Leute mehr zum Lesen gekommen sind, weil offensichtlich mehr Zeit da zu sein schien. Am schönsten fand ich beispielsweise einen Kunden, der sich den kürzlich erschienenen Kanon von Denis Scheck genommen hat, Häkchen gemacht und den Rest bei uns bestellt hat. Das war ein ordentliches Paket!

Sportlich! Den Kanon von Denis Scheck habe ich auch und der ist ja teilweise ganz schön anspruchsvoll, also den ganzen Proust muss man erst mal lesen.

Er hatte da keine Skrupel (lacht). So macht das Spaß!

Und dann noch die Frage, die natürlich sein muss: Wie oft ist Albert Camus‘ „Die Pest“ über den Ladentisch gegangen?

Es gab zwar nicht den erwarteten Run darauf, aber in den letzten Wochen haben wir „Die Pest“ immerhin zwanzig bis dreißig Mal verkauft. Ich habe es auch für den Lesekreis vorgeschlagen und da wird noch diskutiert. Manche zweifeln, ob das jetzt so viel Freude macht, aber ich finde es gerade jetzt sehr spannend! Genau diese Gefühlslage im Moment lässt sich ja nicht wiederholen.

Am Montag, 11. Mai, hatte Erlesenes & Büchergilde nun seinen fünften Geburtstag. Wie habt ihr als Team gefeiert, gab es vielleicht einen Kuchen in Buchform?

Kuchen gibt es bei uns ohnehin ganz oft. Wir bekommen auch ständig Kuchen von Kunden gebracht (lacht). Den Tag selbst haben wir gar nicht so besonders begangen, wir konnten ja auch gar nicht alle zusammen im Laden sein.

Hattest Du immer schon den Traum von einer eigenen Buchhandlung?

Mein Kindheitstraum war immer ein eigener Laden und das Lesen wurde schon früh zur Leidenschaft. Erst war ich dann sehr lange Leiterin der Büchergilde-Filiale in Frankfurt, bis mich Margunde Schenk gefragt hat, ob ich Inhaberin ihres Ladens hier in Mainz werden möchte. Und da ich hier in Mainz wohne und den Laden auch gut kannte, habe ich mich glücklicherweise dazu entschieden, das zu machen!

Wieder auf die richtige Seite des Rheins zurück sozusagen (lacht).

Genau (lacht). In Hessen war es allerdings, auch wenn ich das jetzt vielleicht nicht so laut sagen darf, auch schön. Die siebzehn Jahre in Frankfurt habe ich sehr gerne dort gearbeitet.

Erinnerst Du Dich noch an das erste Buch, das hier im Laden verkauft wurde?

Ach du Schande! Nein. Das hat mich noch nie jemand gefragt. Das wäre mal ein guter Tipp für Inhaber und Neueröffner! Für mich waren die Momente mit den Kunden von Anfang an viel wichtiger. Stimmt die Atmosphäre im Laden und fühlen sich die Menschen wohl. Da gab es zum Beispiel die schöne Geschichte, dass eine junge Frau hereinkam, einfach dastand und sich eine Weile immer so umgeschaut hatte. Und ich habe sie dann angesprochen, ob ich ihr helfen könne und sie meinte nur: „Nein, hier geht’s mir gut. Hier ist es schön, darf ich ein bisschen bleiben?“ Sie hatte überhaupt keinen speziellen Wunsch, aber es war wie eine Bestätigung dafür, dass da etwas gelungen ist mit dem Laden.

Was wünschst Du Dir für die nächsten fünf Jahre Erlesenes & Büchergilde?

Im Grunde wünscht man sich ja, wenn das so schön gelaufen ist, wie das bei uns der Fall war, dass das bitte so weitergehen möge. Vor allen Dingen wünsche ich mir auch, dass wir im Team so bleiben wie wir sind und diese vertrauensvolle Atmosphäre behalten. Die Stimmung untereinander prägt natürlich die Atmosphäre im Laden. Seit dem letzten Jahr haben wir neben den Literaturkreisen auch den literarischen Feierabend gegründet, wo wir in kleiner Runde zusammensitzen und alle dürfen kurz ein Buch vorstellen. Und das sind so tolle Abende! Genau das ist es, wie ich mir eine lebendige Buchhandlung vorstelle. Und das macht mich dann auch ein bisschen stolz! Was aber auch wichtig ist und einen als Inhaberin manchmal unter Druck setzt, ist das Gefühl, kreativ bleiben zu müssen. Man möchte gerne immer wieder tolle neue Ideen haben. Gerade bewerben wir uns wieder um den Buchhandlungspreis und sehen dann, was wir im letzten Jahr für tolle Sachen gemacht haben. Aber man überlegt sich natürlich, wie man da noch etwas Neues draufsetzen kann. Natürlich bringt eine Buchhandlung aber auch viele tolle Möglichkeiten mit sich!

Und ein solches kreatives Format ist ja die Aktion „5 Bücher zum 5. Geburtstag“. Wie seid ihr darauf gekommen?

Das kam recht spontan. Gerade durch den Einbruch der Corona-Krise konnten wir in den Wochen zuvor nicht allzu viel planen. Im Grunde habe ich vor anderthalb Wochen dagesessen und gedacht, so, jetzt muss ein guter Einfall her. Und plötzlich war er einfach da! Bestimmt kam die Idee auch daher, dass uns während der Versandbuchhandlungszeit die Kommunikation mit unseren Kunden so gefehlt hat. Wir fragen ja nach den fünf liebsten Büchern und man erfährt dabei halbe Lebensgeschichten: Wann hat wer welches Buch gelesen und warum und was hat das ausgelöst.

Herzensbücher in der Auslage

Kann man schon einen Trend unter den Einsendungen ablesen?

Es ist eine ganz wilde Mischung! Viele Klassiker sind dabei, tolle Kinderbücher, auch ganz wichtige Sachbücher. So viele Themen, auch so unterschiedliche Arten von Literatur – das macht echt Spaß! Ganz besonders freut es uns auch, wenn Kinder eine ganze Liste ausfüllen. Da ist „Krabat“ von Otfried Preußler ziemlich weit vorne, natürlich ist auch „Herr der Ringe“ oft dabei und tollerweise wird auch „Der kleine Bär und sein kleines Boot“ oft genannt. Und bei den Erwachsenen liegen wahrscheinlich „Stolz und Vorurteil“ oder „Nachtzug nach Lissabon“ vorn.

Mit Jane Austen hätte ich jetzt nicht gerechnet! Wie viele Einreichungen habt ihr denn schon etwa bekommen?

Inzwischen haben wir eine Liste von 250 Büchern. Mehrfachnennungen sind gar nicht so viele dabei. Wir haben tatsächlich ganz viele ganz unterschiedliche Sachen eingereicht bekommen. Manchmal auch so Aussagen wie „Alles von Kleist“ (lacht).

Das spricht doch auch für eine heterogene und total interessierte Leserschaft.

Genau, das passt auch total zu unseren Kunden und wie wir das Buchhandlungsleben empfinden. Martin Suter ist oft dabei, Paul Auster… Man hat auch oft eigene Schätze wiederentdeckt, die man vergessen hatte. Gestern wurde zum Beispiel Annegret Held mit „Die Baumfresserin“ genannt und ich habe das so sehr geliebt, als ich es damals in einer wunderschönen Büchergilde-Ausgabe gelesen habe. Mittlerweile ist das Buch vergriffen, aber durch so etwas tauchen diese Erinnerungen dann wieder auf, das macht viel Freude!

Stimmt! Wenn man bei euch am Schaufenster vorbeigeht, kann man von den Känguru-Chroniken bis zu Heinrich von Kleist eine ganz bunte Vielfalt entdecken. Habt ihr im Laden noch weitere Präsentationsmöglichkeiten?

Gerade basteln wir noch an einer Litfaßsäule und wenn das nicht klappt, gibt es eine große Pinnwand. Und es wird im Laden einen gesonderten Bereich geben, weil wir natürlich viel mehr Bücher empfohlen bekommen haben, als ins Fenster passen. Im Grunde war der Geburtstag nur der Startpunkt. Nach dem Einsendeschluss am 21. Mai wird es auch die Möglichkeit geben, eine Liste mit allen Titeln per Email bei uns anzufordern.

Zum Abschluss würde ich jetzt natürlich gerne noch Deine fünf Herzensbücher wissen!

Das habe ich mir gedacht, dass du mich das fragst (lacht). Aber eigentlich fände ich es viel schöner, wenn wir die fünf Bücher unseres Teams vorstellen!

Ich habe Kent Haruf mit „Lied der Weite“ eingetragen. In seinen Geschichten schreibt er immer über die guten und schrägen Seiten amerikanischen Stadtlebens. Ich mag es gerne, wenn eine Sprache so lakonisch und leise und schlicht ist und trotzdem sehr intensiv. Das macht Kent Haruf ganz wunderbar und begeistert mich einfach.

Svenja Schaller nennt Margaret Atwood mit „Der Report der Magd“ und schreibt dazu: „Einfallsreich, feministisch, stark, wortgewaltig: wirklich toll!“

Mareike Schneider wählt Alina Bronsky und „Baba Dunjas letzte Liebe“: „Eine Handvoll Menschen kehrt zurück in ihre Heimat Tschernobyl. Sterben muss man eh und warum dann nicht Zuhause. Eine schöne Geschichte mit sehr viel Herz!“

Ulrike Ungars Buch ist Isabelle Autissier mit „Herz auf Eis“: „Naturgewaltige, traurige und zugleich lebensbejahende Geschichte. Mit der wunderschönen, formvollendeten Sprache der Autorin gepaart.“

Ursula Lewis schreibt über Christiane Ritters „Eine Frau erlebt die Polarnacht“: „Ein wunderbares Buch voller Humor, Weisheit und großartigen Naturbeschreibungen. Ein Klassiker!“

Und wo wir gerade noch bei den Klassikern sind: Aus meiner Jugend in Erinnerung geblieben und ganz wichtig für mich, sind die Geschichten von Stefan Zweig. Die haben mich damals schon umgehauen und wenn ich die heute lese, geht’s mir einfach gut! (lacht)

 

Bis zum 21. Mai kann man seine fünf Herzensbücher noch bei Erlesenes & Büchergilde einreichen. Letterwald empfiehlt aber auf jeden Fall vorbeizugehen, die tolle Auslage zu bestaunen und vielleicht sogar einen Kuchen mitzubringen!

Interview, Transkript und Bilder: Sarah Beicht

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