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[Nachklapp] Pink Carpet XIV: „Fotzenfenderschweine“

Der Pink Carpet hat gerufen, also kam ich. Zum ersten Mal in der Dorett Bar. Junge, war ich aufgeregt. Ganz allein im Bleichenviertel stolperte ich auf den rot leuchtenden Reklameschriftzug zu und in das Etablissement hinein. Und drinnen… Nun, ich hätte nicht gedacht, dass ich mich in einem ehemaligen Bordell so wohl fühlen könnte.
Den kleinen, gemütlichen Flur entlang gehe ich erst mal lässig zum Tresen und bestelle mir eine kleine Fanta, heute lasse ich’s mir richtig gut gehen. Dann suche ich mir einen Hocker in der Ecke hinter dem Tonmann. Hier ist mein nagetierähnlicher Fluchtinstinkt besänftigt und ich kann mich in aller Ruhe umschauen. Die Wände sind in erotisches Rot getaucht, daran befestigt sind gerahmte Bilder leicht bis nicht bekleideter Damen. Auf der provisorischen Bühne steht ein kleiner Tisch mit einer roten Decke darauf, fast wie bei einem Zauberer und aus den Boxen fließen Blur, Genesis und ein Cover von „I Will Survive“. Es. ist. großartig!

Noch großartiger wird es allerdings, als sich die Hamburger Künstlerin Frau Kraushaar an den Tisch setzt und das posthum erschienene Buch „Fotzenfenderschweine“ von Almut Klotz aufklappt. Ohne große Einführung liest sie den Prolog und nimmt das Publikum mit auf den Hamburger Kiez und ins Berlin der 80er Jahre. In dem autobiographischen Text geht es um die Jugendjahre Almut Klotz‘, ihre Liebesgeschichte mit dem Musiker Christian ‚Reverend‘ Dabeler, der zwischendurch für die musikalische Unterhaltung sorgen wird, und das gemeinsame Künstlerleben. Piepshow und Reeperbahn. Saftige Sprache. Mit folgendem Schlusssatz beendet Frau Kraushaar den ersten Teil, bevor Rev die Bühne übernimmt:

Hier hat der liebe Gott hingeschissen.

Rev ist gerührt, doch gefasst, es scheint, als spiele er nur für seine 2013 verstorbene Frau. Er gibt Songs aus dem gemeinsamen Album „Lass die Lady rein“ zum Besten. Darunter ist auch der letzte aufgenommene Song „Sommerlied“, den er wunderschön interpretiert. Zur Zugabe später spielt eine deutsche Fassung von Pink Floyds „Whish You Were Here“. Ein Nachruf auf Blues eben. Er schließt den ersten Teil des Abends mit: „In der Pause ist Rauchi und Saufi natürlich auch erlaubt“, und setzt sich sogleich an die Bar. Authentisch, dieser Typ. Ich unterhalte mich kurz mit Frau Kraushaar, sie freut sich, in dieser Location lesen zu dürfen. „Das ist ein tolles Relikt, dieser erhaltene Puff“, sagt sie begeistert.

Beim zweiten Teil geht es genauso weiter, wie es aufgehört hat. Episodisch wird aus Almut Klotz‘ Künstlerroman vorgelesen und in der Dorett Bar ist es still. Manchmal schwappt ein Kichern über das Publikum, wenn es nicht zu wissen scheint, wie es mit expliziten Begriffen umgehen soll. Doch Klotz schreibt immer weiter, beschreibt, wie es war und wie es ist, genauso wie Frau Kraushaar liest. Es ist andächtig im Raum, aber nicht wehmütig, man gibt dem letzten Werk der Autorin den Raum, den es verdient. Ein ausrangierter Puff, bis auf den letzten Platz besetzt.

Mein erster Besuch in der Dorett, wie Freunde sie nennen, und die Premiere auf dem Pink Carpet haben mich begeistert zurückgelassen und ich frage mich, welche verlorenen Schätze noch so alles im literarischen Untergrund vergraben liegen. Der Abend war toll, ich stinke nach Rauch, so muss das sein, und bin um einige Horizontmillimeter erweitert.

Danke, lieber Pink Carpet, für diese Schmuckstücklesung 🙂 Der nächste rosane Teppich wird am 16. Februar ausgerollt und begrüßt Kersten Flenter in der Dorett Bar.

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