Tag 3
Der letzte Tag beim Nachwuchsparlament beginnt mit noch früherem Aufstehen und einer gemeinsamen Pilgerwanderung zum Haus des Buches. Selbst am frühen Morgen hat die Sonne schon eine immense Strahlkraft und heizt den Diskussionen im Sitzungssaal richtig ein. Das Gebäude ist von außen eher unscheinbar, nur eine schmale Säule überzogen mit Lettern weist auf die Verbindung zum Buch hin. Aber im Inneren, oho. Eine Wand bedeckt von einem Relief aus goldenen Büchern erstreckt sich dort. Auf der Terrasse ist eine Kunstinstallation aus Buchstabengewusel. Hier sind wir also richtig. Die Hauptversammlung des Börsenvereins beginnt mit einem Gedenken der Toten. Nicht nur wird vielen Menschen auch aus lokalen, kleineren Buchhandlungen gedacht, sondern auch Roger Willemsen, wie schön. Anschließend beginnen die normalen Vereinsdiskussionen. Hier ein Antrag, dort ein Einspruch und immer wieder die Bitte nach mehr Transparenz und Mitspracherecht. Dasselbe Prinzip wie beim Dackelzuchtverein. Trotzdem ist das alles wahnsinnig spannend, denn hier sitzen die wichtigen Köpfe, Verlagschefs und Vertriebsprofis, die Spitze der Buchbranche also. Diese Leute hier machen das, was ich mir später im Laden kaufe. Nicht schlecht. Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass das meiste hier Besprochene, zumindest vom Prinzip her, nicht über ganz normales Vereinsgeplänkel hinaus geht.
Nur zum Ende hin wird es einmal spannend. Viele Wortmeldungen treten an die bereitgestellten Mikrofone heran, um anscheinend über eine Herzensangelegenheit zu diskutieren: www.buchhandel.de. Diese vom Börsenverein geschaffene Website soll die keinen Buchläden unterstützen und funktioniert quasi wie ein normaler Onlinehändler. Man gibt ein Buch ein und kann es bei erfolgreicher Suche auch sofort in den Warenkorb legen. Physisch verschickt wird es anscheinend von einer (am Projekt teilnehmenden) Buchhandlung in meiner Nähe. So weit, so gut, das sieht ja ganz fesch aus. Und ohrenscheinlich hat sich der Verein auch gut was überlegt dabei und es scheint ziemlich viel Herzblut in die Programmierung geflossen zu sein. Alles, um dem großen bösen Konkurrenten Amazon ins Essen zu spucken. Doch all die Bemühungen scheinen umsonst zu sein, die Geschäfte laufen eher mäßig gut und man gibt der Seite noch eine Lebenserwartung bis Ende des Jahres, dann soll sie friedlich einschlafen. Viel Händler äußern sich kritisch und fordern ein sofortiges Einstellen des Projekts, auf Entwicklerseiten wird die fehlende Werbung seitens der Buchläden bemängelt. Doch ein Eindruck kann sich mir nicht verwehren. Ich lese gern. Ich kaufe gern viele Bücher. Seit Längerem noch nicht mal mehr bei Amazon. Und ich würde mich sogar als mittelmäßig bis gut informiert in der Bücherszene einordnen. Aber von buchhandel.de habe ich persönlich noch nie gehört. Was hier fehlt, ist eindeutig die Orientierung zum Kunden hin, aber was weiß ich schon nach drei Tagen Nachwuchsparlament. Ohne konkretes Ergebnis soll die Vereinssitzung damit auch schon Enden und der Ausflug in das Epizentrum der Branche ist vorbei.
Fazit
Diese drei Tage in Leipzig waren für mich spannend, anstrengend und wahnsinnig aufregend. Ich kam als unwissende Literaturstudentin und durfte kurz teilhaben am großen Zirkus, der sich Buchbranche nennt. Für mich hat sich dieser Ausflug mehr als gelohnt, ich habe viele nette Leute kennengelernt und auch einige Kontakte für mein Adressbüchlein gesammelt. Was dabei herauskommt, mal sehen. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Ob als Verleger, Buchhändler oder Sortimenter, wird sich zeigen. Oder vielleicht sogar als Autorin, wenn ich einem von ihnen mein Manuskript zuschicke. Mit Sicherheit aber als weiterhin eifrige Leserin, die nun den Wert des Buches in ihren Händen vielleicht ein bisschen mehr zu schätzen weiß.
Mehr zum Nachwuchsparlament gibt’s unter buchbranchennachwuchs.wordpress.com.