Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht wirklich, worauf ich mich einlasse. Im Zuge der Veröffentlichung von Jarka Kubsovas gefeiertem Roman „Marschlande“ (den ich als „sehr dringend“ auf meiner diesjährigen Leseliste eingestuft habe) ploppte in diversen Instagram-Kacheln immer mal wieder ein Cover auf, das mich optisch wenig, inhaltlich dafür umso mehr ansprach. Okkultismus, Geschlecht, Hexen, Gewalt, Spiritualität – mit diesen Schlagworten lockte mich die „Neue Rundschau“ aus dem S. Fischer Verlag, die sich vierteljährlich einem Themenschwerpunkt widmet. Eine Mail später lag das Buch in meinem Briefkasten.
Man möge mich nun für einen Kulturbanausen halten, aber bis dato hatte ich noch nie von der „Neuen Rundschau“ gehört. Sträflicherweise, möchte ich nun sagen, denn ich bin schwer begeistert von dieser Literaturzeitschrift, die in diesem Fall mit ihren über 200 Seiten schon als durchaus ausgewachsene Ausgabe daherkommt. Das Heft versammelt Autor:innen, Wissenschaftler:innen und Philosoph:innen, die ihre Gedanken zu Hexerei, Übernatürlichem, Geschlechterverständnis und Frauenbildern in Erzählungen, Essays, Gedichte und Artikel gegossen haben. Unterschiedlichste Aspekte werden behandelt, von der Hexenverfolgung in Afrika heute, Salem oder Salvador da Bahia, von Hilma af Klint zu Hillary Clinton, über Räuchersalbei als indigene Praktik bis hin zum Wandel des Hexenbegriffs zur feministischen Ikone. Dazwischen immer wieder fantastische Lyrik von Kim de l’Horizon, Rebecca Tamás oder Ariane Koch. Mehr noch als ein „Hexenkessel Buntes“ legt die „Neue Rundschau“ den Finger auf gesellschaftsrelevante Themen, bezieht diverse kulturelle Hintergründe ein und macht Platz für eine literarisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung jenseits der vielbemühten Klischees. Selbst als jemand, der sehr viel und sehr breit zur Hexen-Figur liest, konnte ich mich dem Zauber der Perspektiven nicht entziehen und habe das Buch mit zahlreichen Markierungen und Unterstreichungen regelrecht durchgearbeitet.
Ich weiß nicht, ob mich jede Ausgabe so euphorisch werden lässt, der Hexen-Schwerpunkt ist schon unheimlich nah an meiner Komfortzone. Wer sich aber für den breiten Querschnitt eines bestimmten Themas interessiert, für den ist die „Neue Rundschau“ ganz sicher etwas. Aktuell liegt Ausgabe 3/2023 in den Regalen und verspricht Einblicke in Utopie, Zukunft, Gesellschaft und Glück. Und das ist doch wirklich etwas, was uns alle angeht.
Neue Rundschau
Herausgegeben von den Lektor:innen des S. Fischer Verlags
134. Jahrgang, 2023, Heft 2
ISBN: 978-3-10-809133-0
17,00 €
Herzlichen Dank an den S. Fischer Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.