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Interview: Ellie & Felicitas vom GUTENBUCHCLUB

Im Dezember 2019 betreute ich nichtsahnend den Abend mit Jochen Veit und Angela Lehner im Wiesbadener Literaturhaus. Trotz des bescheidenen Wetters sind einige Leute gekommen, um sich die Debütlesung anzuhören, darunter auch eine Freundin aus Mainz. Da so etwas selten genug vorkommt, haste ich zwischen Signierstunde und Autorenbetreuung durch die Reihen um ‚Hallo‘ zu sagen. Sie ist in Begleitung einer kleinen Gruppe junger Menschen, ich nicke kurz in die Runde, da höre ich eine Stimme in meine Richtung: „Bist du Gutenbergs Letterwald?“ Sehr sehr selten, spricht mich jemand darauf an. Ich muss ziemlich verdutzt dreingeschaut haben. „Wir sind der Gutenbuchclub! Wir kennen uns, zumindest auf Instagram.“ „Ja klar!“, rufe ich aus, „Ihr seid der Gutenbuchclub! Wir cool, dass ihr da seid! Ihr lest gerade Vater unser, oder?“

So hat es angefangen, aus dem Netz in die Wirklichkeit. Ich bin bis zu diesem Zeitpunkt gar kein Podcast-Hörer gewesen, hatte es ein paar Mal versucht, aber nie die Ausdauer gefunden, mal eine Staffel oder auch nur eine Folge durchzuziehen. Bis zu diesem Abend. Seitdem gibt es einen Podcast, den ich immer höre und die neuen Folgen sehnsüchtig erwarte. Den GUTENBUCHCLUB. Anstelle eines linearen Artikels oder einer Interviewstruktur, nehme ich den Aufbau ihrer Podcasts zum Ausgangspunkt, euch den GUTENBUCHCLUB und seine Gründerinnen etwas näher vorzustellen.

Getting-to-know-you

Ellie und Felicitas betreiben den Zwei-Frau-Buchclub GUTENBUCHCLUB und veröffentlichen regelmäßig Podcasts, in denen sie je ein literarisches Werk auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Der Buchclub existiert bereits seit 2017 offline, in die Öffentlichkeit gewagt haben sie sich erst 2019. Entstanden ist die Idee während des Studiums. „An der Uni wird Literatur oft nur sehr sperrig vermittelt und die Werke regelrecht zu Tode interpretiert, was der Lust am Lesen schon einen Dämpfer verpassen kann“, sagt Ellie. Sie ist studierte Lehramtlerin für Deutsch und Englisch und weiß also bestens, wie es um akademische Literaturvermittlung bestellt ist. „Deshalb wollten wir einen Buchclub gründen für Leute, die einfach mehr lesen wollen und ihnen den Raum geben, sich dann über die Lektüre auszutauschen.“ Felicitas arbeitet mittlerweile für einen E-Book-Dienstleister und kann aus dem Nähkästchen einer Buchwissenschaftlerin plaudern: „Bei der BuWi wird sich hingegen nur mit der Hülle des Buchs beschäftigt, was uns auch wichtig ist, aber im Grunde geht es doch um das Gesamtpaket.“

Felicitas (L) und Ellie (R) bei der Aufnahme eines Podcasts für den GUTENBUCHCLUB.

Der GUTENBUCHCLUB in einem Gericht

Man kann den GUTENBUCHCLUB durchaus mit einem reichhaltigen Buffet vergleichen. Frische, aktuelle Titel sind Ellie und Felicitas ebenso wichtig wie eine ausgewogene, diverse Lektüre. So haben sie im ersten Halbjahr 2020 etwa Bücher von Autorinnen aus Norwegen, Irland oder Nigeria besprochen und scheuen sich auch nicht, große Themen wie Alltagsrassismus, Integration und insbesondere feministische Literatur anzusprechen. Von allem ist etwas dabei und man kann sich nehmen, so oft und so viel man möchte.

Zwischen-Tür-und-Angel: Eine Inhaltsangabe

Die Podcasts folgen einer klaren Struktur und die wiederkehrenden Elemente machen es sehr leicht, zu folgen. Ein durchdachtes Konzept ist den Beiden ebenso wichtig wie eine inklusive Ausdrucksweise. Kein Satz scheint leichtfertig, ohne jedoch die Leichtigkeit des Gesprächs einzubüßen. Und das trotz des regelmäßigen Pensums von einer Ausgabe im Monat. „Die Produktion dauert aber meist nicht länger als einen Tag“, sagt Ellie, „Aufnahme und Schnitt sind kein Problem. Durch meine Arbeit als Chefredakteurin bei Campus Mainz konnte ich einige Erfahrung mitnehmen.“ Alles, was nicht in die 50 bis 70 Minuten passt, wird dann noch auf dem Blog zusammengefasst. Hier finden sich Shownotes, weitere Infos zu den besprochenen Büchern und manchmal auch alleinstehende Artikel zu der Mainzer Bücherszene.

Lieblingszitat aka Warum „GUTENBUCHCLUB“

Schnell stand für die Beiden fest, dass ein griffiger Name her muss. „Wir suchten nach einem möglichst lokalen Namen, weil wir ja auch lokal wirken wollten“, sagt Felicitas. Plumpe Wortspiele mit dem so oft bedienten Städtenamen ‚Mainz‘ schlossen sich schnell aus, aber der berühmteste Sohn der Stadt und Erfinder der Druckkunst (mit beweglichen Lettern), Johannes Gutenberg, schien ein vielversprechender Pfad zu sein. War bei „Gutenpodcast“ der Bezug zur Literatur noch zu sehr versteckt, flowte GUTENBUCHCLUB schon deutlich mehr. Gesagt, beschlossen: Der Name war geboren.

Nochmal in den Druck?

Die Abschlussfrage ist hart, hier geht der Daumen hinauf oder hinunter. Oftmals einigen sie sich auf einen zur Seite zeigenden Daumen, Abzüge werden meist im Peritext festgemacht. Hier hinkt meine so innovative Interviewstruktur natürlich, der GUTENBUCHCLUB ist ja kein Buch und muss auch nicht gedruckt werden. Dennoch reckt sich mein Daumen deutlich nach oben, strahlt Begeisterung und Leidenschaft aus, wie für kaum ein anderes Projekt. Nicht nur ist der Podcast ein Genuss zu hören, sondern hebt sich durch fundierte Analysen und wichtige, aktuelle Themen deutlich von vergleichbaren Formaten ab. Es empfielt sich, ihnen auch unbedingt auf Twitter und Instagram zu folgen. Die Bücherfotos sind herrlich elegant und fangen jedes Mal den Kern des Buches wunderbar ein. Und wenn es euch wie mir geht und ihr nur einen literarischen Podcast hört, es sollte definitiv der GUTENBUCHCLUB sein. Überall, wo es Podcasts gibt!

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