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Rezi: „Opakalypse“ von Ingo Bartsch

Es fällt nicht leicht, eine Rezension über das Buch eines befreundeten Autors und Lesepartners zu schreiben. Man kennt die Texte, den Stil und auch ein bisschen (Lebens-)Hintergrund, weiß um Schreibkrisen und Arbeitsflows und will das Buch irgendwie auf jeden Fall gut finden, bei aller Objektivität.

Aber um ehrlich zu sein, ist es mir aber auch selten leichter gefallen, einen Artikel über ein Buch zu schreiben, als den über die „Opakalypse“ von Ingo Bartsch. Julius Wicküler, genannt Jules, hat ein Problem. Sein Vater dreht dem Langzeitphilosophiestundenten den Geldhahn zu und seine ambitionierte Freundin entreißt ihm Joint und Joystick: Er muss sich einen Job suchen. Demotiviert und mit angekratztem Stolz geht er zur Zeitarbeitsfirma Powerjob, bekommt eine Stelle in einem Altenheim vermittelt und wird panisch. Ist er überhaupt für das Erwerbsleben geschaffen? Wird er sich in der Hierarchie des Haus Nikolaus zurechtfinden? Und werden ihn die dementen Bewohner verpfeifen, weil er ihnen Haschkekse gebacken hat?

Wer nun einen klamaukigen, wortspaßigen Roman über Millenials zwischen Leistungsverweigerung und dem perfekten Instagrambild erwartet, der wird vielleicht nicht direkt enttäuscht, aber doch auf jeden Fall sehr überrascht sein. Denn „Opakalypse“ ist viel mehr als das. Hier die Geschichte strotzt nur so vor Handlung, Härte und vor allem Haltung. Schnell wir Fahrt aufgenommen, die Kapitel sind kurz und fliegen nur so dahin. Alle Figuren sind ausgearbeitet und haben ihren eigenen Charme. Sogar die Demenzpatienten werden nicht nur für flache Gags eingestreut, sondern haben einen persönlichen Hintergrund, der sich mit ihrer Krankheit verwebt – Tragikomik würde man das wohl nennen.

Man merkt deutlich, dass der Autor selbst einige Jahre Erfahrung in einem Altenheim gesammelt hat, denn der beschriebene Alltag im fiktiven Haus Nikolaus erscheint von der Frühschicht bis zum Abendbrot authentisch. Beim Lesen macht sich oft das ungute Gefühl breit, dass die überspitzten Zustände, bei denen man nur ungläubig mit dem Kopf schütteln möchte, in Wirklichkeit noch viel schlimmer sind. Und auch die Entwicklung von Jules über die mehr als 300 Seiten ist jederzeit nachvollziehbar und glaubwürdig.

Ich bin nicht der Typ, der Sterne für Bücher vergibt. Und vielleicht bin ich auch wirklich nicht ganz objektiv. Aber vielleicht ist Ingo Bartsch’s „Opakalypse“ auch einfach ein wunderbar gelungener Debütroman, großartig erzählt und spannend bis zur letzten Seite. Und als kleinen Tipp mit auf den Weg: Falls die Gelegenheit besteht, den Autor bei einer Lesung einmal live zu erleben – unbedingt hingehen, denn wenn Ingo Bartsch vielleicht eins besser kann als schreiben, ist es, seine Texte vorzulesen!

Mehr zu Ingo Bartsch gibt es auf seiner Website: ingobartsch.wordpress.com. Und wer das Buch kaufen möchte, geht am besten gleich zur Buchhandlung seines Vertrauens!

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