Am Mittwochmorgen hielt Schriftstellerin und Lyrikerin Marion Poschmann, die in diesem Semester die Mainzer Poetikdozentur innehat, einen Workshop mit dem blumigen Titel „Laubwerk. Zur Poetik des Stadtbaums“. Da ich mich immer über neue Impulse und Techniken freue, vor allem von so einem renommierten Gast, schlug ich meine Wurzeln an diesem grauen Januartag im Philosophicum, um mich über Bäume zu unterhalten.
Zunächst geht es um eine genaue Beobachtungsgabe. Ein jeder erhält eine Postkarte von Bäumen im Schnee, deren Aussehen wir in einem kurzen Text beschreiben sollen, sodass sie heraussticht aus den später zusammengelegten Karten. Gar nicht mal so einfach, denn mit Wurzel, Stamm und Ästen ist es nicht getan und bald sieht man seinen eigenen Baum vor lauter Wäldern nicht. Manche schreiben einen Vers, andere geben mit koordinatenhaften Bildkompositionsbeschreibungen den genauen Standort ihrer Tanne wieder und schnell wird klar, auf wie viele unterschiedliche Arten man sich der Thematik nähern kann. Nur präzise muss es sein, ganz gleich, ob das nun mit einer Metapher oder Breitengeraden gelingt.
Danach geht es ans Dichten und es gibt eine kurze Einführung in die Cluster-Methode, quasi ein großes Assoziationsschaubild, wurzelnd auf dem Wort „Baum“ und emporwachsend in luftige Höhen bis in die Krone der Abstraktheit. Reihum werden die Verslein vorgelesen und es häufen sich Bilder von verblassenden Baumhäusern, hängenden Ästen und der Unausweichlichkeit des Lebenszyklus. Dabei schäme ich mich fast, wie schnell ich von Baum zu Ast zu Gabel wieder einmal zu Essen gekommen bin und Folgendes niederschreibe:
Auf einem Stuhl an einem Tisch sitzt ein Mann
Hoch gewachsen wurzelt er
Statt Händen
Gabeln
Rechts/links/auf dem Kopf/statt Haar
Auf seinem Wipfel bauen Vögel Nudelnester
Er schwankt sachte
Hin/her
Um seine Zinken wirbeln sich
Spaghetti reif wie Knospen.
Nach einem Diskurs über Form und Inhalt von Gedichten und das Für und Wider von Gereimtem, soll zum Abschluss noch ein Haiku her, das strickte Form und Zählvermögen verlangt. Drei Verse, abgeklatscht nach Silben, zu fünf, sieben und noch einmal fünf. Es ist nicht leicht, sich kurz zu fassen, doch den meisten Teilnehmern des Workshops liegt diese Verknappung, das Schärfen von Ideen hin zu einer Gedankenspitze. In aller Kürze heißt das bei mir:
Tisch Stuhl Bettgestell
Wund gesägt und blut geharzt
Bretter werden Sarg
Auf den Heimweg geschickt werden wir mit einer kleinen Sammlung Baum-Gedichte von Hölderlin, Mörike oder Rilke, die sich, bestimmt unter einer Buche sitzend, haben inspirieren lassen von dem Rascheln der Blätter über ihnen und auf ihrem Schoß, einer Feder in der Hand und dem frischen Wind durch ihre Wipfel, ebenso wie die Poetikdozentur es immer wieder schafft, eine frische literarische Brise durch die universitären Äste zu wehen.